Mittwoch, 18. Februar 2009

Die ersten zwei Neuvorstellungen unseres Frühjahrsprogramms

Unsere ersten zwei Hörbuch-Neuerscheinungen für dieses Jahr möchten wir heute kurz vorstellen.

Die erste ist eine Volltextlesung Effi Briest von Theodor Fontane; Laufzeit gesamt: 13 Stunden, 40 Minuten, 14 CDs in 2 Schmuckschachteln für Euro 58,80.
(Es gibt diese Lesung auch als Sonderausgabe im mp3-Format bei jokers für 9,99 €.


EF-Cover-klein

Der früher manchem leidig gewordene Schultext scheint immer noch seine eigenen Brisanzen zu haben. Und wären es nur die einer tatsächlich feinsinnig abgewogenen, zeitlos kunstvollen Literatur, die eine eigene, längst wie separierte Welt aufzurufen vermag – aber noch längst nicht von uns überkommenen Gedanken.

Vielleicht nicht ganz zufälliger Weise kommt auch gerade mal wieder eine Neuverfilmung in die Kinos, diesmal in angeblich "emanzipatorischer" Interpretation. (Aber was heißt das, einen Stoff vermeintlich zu modernisieren – die junge Frau am Ende nicht an den Verhältnissen sterben, sondern sie ein selbstbestimmtes Leben führen zu lassen –, aber den Aufwand an Werktreue dann bei den Kostümen zu treiben? Was ist da Effekt? Und sind unsere Leben heute, in ganz anderen Korsetten nund Scheinfreiheiten, tatsächlich selbst-bestimmter? Und kann man sich solche kanonisch gewordenen Werke einfach unter den Nagel des angeblich Neueren reißen? Usw. Trotz der wunderbaren Julia Jentsch in der Rolle der „Effie“, wirft ein solches Vorgehen zu viele Fragen auf, die erst einmal auf Kosten des Werks gehen, und es hat etwas von Vereinnahmung und sogar Willkür.)

Wir bleiben da, eben bei solch einem durchgearbeiten, aus heutiger Sicht doch allein schon durch die vergangene Zeit auch wieder viele Unbekannte in sich bergenden Text, lieber bei dem Versuch der Annäherungen an eher ursprüngliche Lesarten, deren Genie sich durch die Zeiten behaupten konnte – Freiheiten der eigenen Anklänge in eienm solchen Text und seinen Interpretationen gäbe es da genug. Vielleicht wären gar eben diese Unbekannte, aus heutiger Sicht, der mögliche Gewinn, mit dem man nicht allzu beliebig umgehen sollte.

Man muss sich ja schon länger fragen, ob nicht eben die oft ins Beliebige getriebene Ausbeutung der Texte sie mit der Zeit doch auch wesentlich schwächt statt ihren Kern mit der Entfernung für uns befragbarer hält. Sicher: gewohnt, alles in einem Kultur-Supermarkt zur Verfügung gehalten zu bekommen, laden die Texte – copy & paste - für ihre Einvernahme ein und das wäre eben hinzunehmender Teil ihres Nach-Lebens.

Andererseits könnte man mittels ihnen, mittels einer gewissen Schwergängigkeit auch der Texte, einer Sperrigkeit, die als eine Qualität anzusehen wäre, auf das bestehen, was dem schnellen Umschlag von allem und jedem einen gewissen Widerstand entgegen zu bringen hilft. Der Mehrwert eines Kanons bestünde ja eben in dessen mit eben der Zeit gewonnenen Gewissheiten, von denen aus man gewisser, "angereicherter", auf andere, oft mindere Dinge schauen kann.

Immerhin sagt es Julia Jentsch selber in einem Interview über die Effie: „Eine Figur, die das Nachfragen fordert, wo das Nachfragen auch lohnt.“


Wir arbeiten noch an den Hörbeispielen für Sie! Links demnächst wieder hier!





Das zweite Hörbuch ist
franz josef czernin: das labyrinth erst erfindet den roten faden
einführung in die organik
(Eine Textauswahllesung vom Autor).
1 CD, für 22,80 € in der handgearbeiteten Schmuckschachtel, alternativ in unserer Höfheft-Reihe für 9,80 €.


Den Untertitel, "einführung in die organik" könnte man wörtlich nehmen - und auch wieder nicht. Die Organik wäre hier das als Ebene (Paradoxe, Metaphern und Metonyme, Widersinnigkeiten und Übersprünge der Sprache, sowie all das, etwa durch den als Bezug vorkommenden Kafka, uns Vorgewebte), was als Lebendiges sich permanent untergründig in der Sprache und als aus ihr Geschöpftes bewegt, damit ein Höheres - "Leben", Denken - erst entstehe.

Die wunderbaren Sätze Czernins, die schon als einzelne rasch ins Unüberschaubare der mit ihnen möglichen Ab- und Umwegzündungen von Gedankenführungen verleiten können, verweben sich hier mit der Zeit des Zuhörens in eben die vieldimensionale Komplexität, die das grundlegend Labyrinthische aller Bewegungen in Sprache, Denken und Lesen (Leben) bedeuten kann: Als eine auch spielerisch anzunehmende Herausforderung. Denn wenn man um die Fäden weiß, kann man ihren kurz rot aufleuchtenden Vorkommen sozusagen unwillkürlicher ein Stück folgen... um sie dann auch wieder abreißen und sich neu verweben zu lassen. Man bleibt per se im Labyrinth. Es verleitet aber auch zum Schaffen eines "Garns" hin zu den kaum überblickbaren Mustern.

Das ist einer der Gedanken, die einem kommen kann: Bleibt alle Ordnung nicht wahnhaft? Wir wünschen uns heute vielleicht kaum mehr, als Überblick und Eindeutigkeiten. Gleichzeitig spüren wir: Die Angebote, die uns da gemacht werden – in der Unterhaltung, in Religion und sowieso der Politik -, müssen uns schon verdächtig sein wegen ihrer „Unterkomplexität“. Denn längst orientieren wir uns in vielschichtiger komponierten und verzahnten Mustern. Pattern Recognition – das ist eine der tiefen-implementierten Aufgaben unseres Gehirns.

Aus der Mathematik weiß man, dass kein System vollständig heraus sich selber beweisbar ist. Wie, wenn das immanente Chaos jeder Sache, ihr labyrinthisches Moment, eben eines zur besseren Übersicht gern angenommenen Außerhalbs der Systeme wäre? Permanent bilden wir Sinn und seine Vewebungen, als gehörten wir nicht selber als Zwischenstücke, als deren missing links, da hinein. Als solche könnten einem die Faden also auch erscheinen (das dachte jedenfalls ich während des Zuhörens) - und jeder einzelne wäre also selber ein loses Ende eines neuen Irrtums wie eines anderen Findens. Und – falls das hier nicht zu kalauerhaft erscheint - verleitet Czernin derart nicht fast zu so etwas wie einer „String-Theorie“ der Subströme von Literatur?

So mag es anfangs überfordernd sein, das Lose der Fäden im auditiven Cortex zu halten, um sie im Großhirn wie im Nebenbei zu führen und sich derart daran entlang zu hangeln und zu führen und verführen zu lassen: Das Hören (das Denken, das Lesen) leuchtet sich irgendwann, heraus eben einem Unüberschaubaren, und d.h. letztlich nicht in irgendeine reduktionistische Ordnung zu Führenden, selber ein. Alles ist immer schon gegenwärtig, zumindest latent da.

Man kann hier etwa an die Ordnung(sversuche) Hegels denken: Die Organismen, die geologischen, vegetabilischen und animalischen, zeugen sich fort in dem, was sie auslesen und was sie als Ausgelesene eines per se Labyrinthischen zur kurz wie sinnhaft verbundenen Erscheinung bringt. Das Labyrinth aber, das Unabgeschlossene der Auslesungen wie ihr Unabsehbares für unsere Orientierungen wären unser Gewinn.

Wir arbeiten noch an den Hörbeispielen für Sie! Links demnächst wieder hier!

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